HERZOGENRATH Eine Streckenführung der Regio-Tram von Baesweiler bis Buschhofer Weg in Merkstein wäre ein zu großer Umweg und dazu unwirtschaftlich, sagen die Gutachter. Da hilft auch die besucherstarke Freibadsaison nicht.
Beatrix Oprée
VON BEATRIX OPRÉE Aachener Zeitung
Es war eine interessante Perspektive gewesen: Parteiübergreifend Applaus hatte Hans-Joachim Sistenich, der frühere AVV-Geschäftsführer und jetziges Vorstandsmitglied der Initiative Aachen, Mitte Mai 2019 im Fachausschuss für die Präsentation der Planidee von der Regio-Tram geerntet. Die auf einer der stärksten Verkehrsachsen von Aachen in den Nordraum mit den Städten Würselen, Alsdorf und Baesweiler verkehren und dabei, so die damalige Überlegung, peripher, nämlich nahe dem Merksteiner Freibad, auch Herzogenrath anbinden sollte. Euregiobahn und Regio-Tram würden quasi in Merkstein zusammengeführt – eine wunderbare Vorstellung. Vor allem mit Blick auf den allsommerlichen Besucherandrang im einzig verbliebenen Freibad im Nordkreis. Der regelmäßig zu enormem Parkdruck und entsprechendem Unmut bei den Anwohnern im Bereich Buschhofer Weg führt.
Angesichts weitergehender Bestrebungen aus dem politischen Raum, besagtes Parkplatzchaos wie auch immer zu entschärfen, gab sich die Verwaltung einige Monate später noch hoffnungsfroh und riet, doch erst einmal abzuwarten. Es könne ja tatsächlich etwas werden aus dem Regio-Tram-Haltepunkt unweit der Stadtgrenze zu Alsdorf-Busch. Und der wäre von Herzogenrather Stadtgebiet aus eben just über den Buschhofer Weg zu erreichen.
Direktszenario
Hier wird man sich jetzt getrost weiter über Parkplatzerweiterungen Gedanken machen können. Denn Hans-Joachim Sistenich war unlängst erneut bei Herzogenraths Politik zu Gast. Diesmal um ihr den Zahn zu ziehen, dass Merkstein zu den bereits vorhandenen noch einen weiteren Bahnanschluss bekommen könnte.
Es ist jeden Sommer ein ähnliches Bild, wenn das Thermometer die 30-Grad-Marke reißt: Badewillige nutzen jeden Winkel, um ihre Autos möglichst nah am Eingang des Merksteiner Freibads abzustellen.
Es ist jeden Sommer ein ähnliches Bild, wenn das Thermometer die 30-Grad-Marke reißt: Badewillige nutzen jeden Winkel, um ihre Autos möglichst nah am Eingang des Merksteiner Freibads abzustellen. Foto: Jan Mönch
Denn die bekanntlich mittlerweile vorliegende Voranalyse des im Februar 2020 mit der zweistufigen Machbarkeitsstudie für die Regio-Tram beauftragten Karlsruher Konsortiums spricht eine klare Sprache: Um überhaupt zeitnah handeln zu können, wird das Direktszenario angeraten, sprich die gerade Anbindung von Aachen entlang der Bundesstraße 57 in den Norden, ohne Umwege, ohne technisch anspruchsvolle Systemwechsel, aber mit dem größten Nutzerpotenzial. Das eine Trassenführung entlang der Linie der früheren Carl-Alexander-Bahn im Bogen durch wenig besiedeltes Gebiet bis zum Buschhofer Weg nicht aufweisen könnte.
Sistenich hatte im Mai 2019 überdies schon vom Naturschutz als größtem Knackpunkt bei der Anbindung Merksteins gesprochen. Was sich nach Vor-Ort-Betrachtungen mit der Unteren Landschaftsbehörde bestätigt habe. Vor allem auch Linienbiotope würden zerstört, so Sistenich im Gespräch mit unserer Zeitung.
Als dritter Punkt spricht die räumlich-zeitliche Dimension dagegen: Eine Streckenführung über Merkstein würde schlichtweg einen zu großen Umweg bedeuten. Auf diesen hatte – ergänzend zu den Naturschutzaspekten – auch der BUND bereits verwiesen, die Fahrzeit werde „erheblich ausgeweitet, ohne dass adäquat zusätzliches Nutzerpotenzial erschlossen wird“, hieß es in einer Stellungnahme schon im Sommer 2019. Merkstein und Alsdorf-Busch seien im Übrigen bereits an die Euregiobahn angeschlossen.
Ein Argument, das Sistenich gegenüber unserer Zeitung noch verdeutlicht: Herzogenrath sei die Kommune, die in den vergangenen 20 Jahren am meisten vom Ausbau des Schienennetzes profitiert habe – und zwar in vier Richtungen: Aachen, Mönchengladbach/Düsseldorf, Heerlen sowie durch die Ringbahn nach Alsdorf und Stolberg.
Nur saisonales Ergeignis
Neben dem Aachener Hauptbahnhof gebe es keine Kommune, die so ein hohes Angebot habe. Bedenken müsse man vielmehr, dass Baesweiler noch nicht an die Schiene angeschlossen sei, ebenso wenig wie Würselen. Alsdorf habe immerhin die Euregiobahn.
Was das Argument des Besucherandrangs im Freibad Buschhofer Weg angeht, das auch im jüngsten Fachausschuss wieder benannt wurde, so sei dies in der Gesamtbetrachtung eben nur ein saisonales Ereignis. Die Zahl der anliegenden Einwohner und der zu erreichenden Arbeitsplätze sowie die Erreichbarkeit selbst wiegen in der Kosten-Nutzen-Analyse für den Streckenverlauf der Regio-Tram eindeutig schwerer. Das kehre auch ein avisiertes Gewerbegebiet Neumerberen nicht um, wie es im Ausschuss ebenfalls argumentativ zur Sprache kam.
Schlank, schnell und hocheffizient – nur so habe die Regio-Tram bei den Fördergebern eine Chance. Aber auch die gebotene Linienkonzentration auf die B57 sei für Herzogenrath und Merkstein von Interesse: durch ein Umsteigen von der Euregiobahn auf die Regio-Tram am Knotenpunkt in Alsdorf, wodurch andere Ziele wiederum schneller erreichbar würden.
Eine schicke niederflurige Tram soll dereinst vom Aachener Bushof in den Norden und zurück rollen. Sistenichs persönlicher Favorit sind die hochmodernen Fahrzeuge der Straßenbahn in Bordeaux, ohne Oberleitung im Akkubetrieb, deren Bauweise ein fast ebenerdiges Zusteigen ermöglicht, ohne dass es dazu besonderer Haltepunktbauwerke bedarf. Eine Bahn, die auf der Straße einfach mitfährt.